von Doris Hermanns
Am letzten Sonntag gab es auf der Buchmesse in Leipzig eine Podiums-Diskussion, zu der die Wochenzeitung der Freitag eingeladen hatte. Es sollte eine Diskussion mit #verlagegegenrechts werden: Positionierung, Herausforderungen, Haltung. Auf dem Podium waren vertreten: Lisa Mangold von Verlage gegen Rechts, Ines Schwerdtner, Redakteurin des Online-Magazins Ada, und Thomas Wagner, freier Autor. Mladen Gladić, Redakteur des Freitag, moderierte.
Kaum hatte die Veranstaltung angefangen, meinten ein paar Identitäre, ein Banner (interessant, dass es möglich war, ein Banner mit politischer Aussage auf die Messe zu bringen, aber einige weniger Sticker von Seawatch mit der Begründung, politische Aussagen seien nicht erwünscht, beschlagnahmt wurden) ausrollen und damit das Podium und die dort Sitzenden unsichtbar machen zu müssen, während Alexander „Malenki“ Klein (Identitäre Leipzig) über ein Mikro aus dem Publikum verkündete, dass er sich die Veranstaltungen von Verlage gegen Rechts jetzt in den letzten Tagen lange genug angeguckt habe. Diese Belästigungen waren schnell beendet, Klein wurde von der Security weggeführt, und die schweigenden Männer mit dem Banner verzogen sich daraufhin auch. Das Angebot zur anschließenden Diskussion wurde nur von Peter Schreiber, dem Verlagsleiter der „Deutschen Stimme“ angenommen, der am Ende eine Frage stellte.
Diese Störung war recht schnell vorbei, fotografiert und gefilmt wurde jedoch auch weiterhin.
Wirklich problematisch wurde es dann jedoch mit Thomas Wagner auf dem Podium. Seiner Meinung nach hätte die Initiative Verlage gegen Rechts die Rechten überhaupt erst groß gemacht. Eine Ansicht, die an Blindheit kaum zu übertreffen ist: Auf der Buchmesse in Leipzig waren die rechten Verlage in den vergangenen Jahren sehr präsent, allen voran der riesige Compact-Stand mit Personenschützern, der bis vor zwei Jahren ganz in der Nähe der meisten unabhängigen Verlage zu finden und nicht zu übersehen war. Zahlreiche Menschen, u. a. Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund, sowie Schwule und Lesben fühlten sich von dieser Präsenz (wir wurden u. a. fotografiert) massiv bedroht, d. h. sie fühlten sich nicht nur bedroht, sondern sie wurden bedroht und fühlten sich nicht mehr sicher auf der Buchmesse.
Da Wagner aber scheinbar lieber mit Rechten redet und das für sinnvoller hält, hat er offensichtlich nicht wahrgenommen, worum es Verlage gegen Rechts geht: Gegenseitiges Stärken und Vernetzen, Podien mit emanzipatorischen Inhalten zu besetzen, die Buchbranche zu politisieren und rechte Verlage zu skandalisieren, d. h. gegen deren Normalisierung anzugehen. Dies nicht als leere Worte, sondern sowohl im vorigen wie auch in diesem Jahr wieder mit zahlreichen Veranstaltungen zu den unterschiedlichsten Themen, also durch eine inhaltliche Auseinandersetzung.

Foto via Worms Verlag/Facebook
Egal, wie viele Argumente und Beispiele sowohl Lisa Mangold als auch Ines Schwerdtner vorbrachten, Thomas Wagner fand es nicht nötig, sich damit auseinanderzusetzen. Statt auf den Hinweis auf die Bedrohungen einzugehen, meinte er, diese als „Befindlichkeiten“ vom Tisch wischen zu können – eine typische Reaktion weißer Männer, die mit dem Luxus leben, sich nicht tagtäglich mit Diskriminierungen und Bedrohungen auseinandersetzen zu müssen. Darauf hingewiesen, meinte er, er wolle sich nicht auf seine Hautfarbe und sein Geschlecht reduzieren lassen, das hielt er für rassistisch. Ersteres ist verständlich, wollen wir Frauen, Lesben, Schwule, MigrantInnen etc. etc. auch nicht, werden wir aber, Tag für Tag. Wir leben nicht in dem Luxus sagen zu können, lasst das doch bitte sein; wir sind sichtbar und damit auch angreifbar. Eine Erfahrung, die Wagner offensichtlich völlig fremd ist. Was auch bedeutet, dass er sich nicht mit den Erfahrungen all dieser nicht-gerade-Randgruppen auseinandersetzen möchte, sondern seine Weltsicht für die allgemeine hält, alles andere ist mimimi und Befindlichkeit. Warum Bücher von Frauen lesen, von MigrantInnen, von Lesben, von Schwulen oder anderen, die nicht zum angeblichen Mainstream gerechnet werden, ihnen gar zuhören, sie und ihre Erfahrungen ernst nehmen? Frauen sind ja nur mehr als die Hälfte der Bevölkerung, und in Deutschland hat jede vierte Person einen Migrationshintergrund.
Was Rassismus betrifft: Es ist ein strukturelles Problem, das People of Color betrifft und sich nicht umkehren lässt. Es geht um Macht und Herrschaft von Weißen, aber davon scheint Wagner noch nie gehört zu haben.
Auch dass Frauen sich durch Vergewaltigungsankündigungen seitens Männern, die sich zum rechten Spektrum zählen, bedroht fühlen, ist für ihn kein Thema und hatte für ihn auch nichts mit dieser Diskussion zu tun. Ist es für Männer wirklich so schwierig, einfach mal den Mund zu halten und zuzuhören, einfach mal wahrzunehmen, dass für Frauen/Lesben/Schwule Bedrohungen nochmal ganz anders aussehen – obwohl wir dies seit Jahrzehnten thematisieren? Dass People of Color nochmal ganz anders bedroht, angefeindet und ausgegrenzt werden, als weiße Menschen? Und dass hinter all diesen
Ausgrenzungen ein patriarchales Herrschaftssystem steht? Von dem vor allem weiße Männer wie Thomas Wagner profitieren. Aber egal, was wir sagen, was wir schreiben, wie oft wir es benennen – manche meinen, es ignorieren zu können, weil ihnen wichtiger ist, mit Rechten Tee zu trinken, Ziegen zu melken und zu plaudern. Und weil sie als weiße Männer schlichtweg ignorant sind und andere sie nicht interessieren, weil sie ihr Leben als Maßstab nehmen, an dem alles andere gemessen wird und als Zentrum der Welt.
(Beitragsbild: Julia Baudis)
Sehr gut und klar Doris!
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