Krumme Wege
Monika Geier
Also … ich glaube, ich bin hier die U-Abteilung. Wie ich hergekommen bin? Ich mag Krimis mit, über und von Frauen, auch alberne, auch triviale. Ich kann schlechte Witze sehr lustig finden, und es gibt Zeiten, da möchte ich einfach in schwarzen Samt gewickelt und gegruselt werden oder verrückte hysterische Schrullen bewundern und mich in irre Absurditäten versteigen. Oder ein Buch lang durchkichern. Meine Lektorin Ulrike Wand besitzt eine wunderschöne Postkarte, um die ich sie sehr beneide, darauf sind wütende Frauen abgebildet, die ein Transparent hochhalten, auf dem geschrieben steht: Kampf der Schundliteratur! Angesichts ihrer enragierten Gesichter fühle ich mich immer ganz leicht und frei und denke: Yeah, Schwestern: Schundliteratur.
Dazu passt vermutlich auch, dass ich die Romane von Agatha Christie liebe. Jeden einzelnen davon und ihr Gesamtwerk. Ohne sie wäre ich nicht hier. Zwar will ich mehr als sie wollte: Ich will herland. Aber ich finde, sie hat daran mitgearbeitet, vermutlich mehr als ich. Sie hat für Frauen über Frauen geschrieben. Für mich als Kind und junge Frau war ein Christie-Krimi das absolut Höchste. Natürlich hätte ich damals an der Büchereitheke nicht explizit nach einem Roman mit Frauenperspektiven gefragt. Aber ich hab mich durch die gesamte Dorf- und dann Stadtbibliothek gelesen und musste fast immer in Männer- oder Jungswelten tauchen. Auch wenn die Geschichten toll waren und ich mich sehr gut mit Old Shatterhand oder Justus Jonas identifizieren konnte, war es einfach nicht dasselbe wie bei Christie. Bei ihr durfte ich ganz sicher sein, dass es viele unterschiedliche Frauen geben würde, fiese, gruselige, gefährliche, bewundernswerte, kluge, unberechenbare Frauen, die ganz bestimmt nicht heiraten oder ein Pferd wollten. Das wollte ich nämlich auch nicht.
Später habe ich gehört, dass Ms. Christie eine reaktionäre Bürgerliche war, die am Systemerhalt interessiert war, weil sie glaubte, das System manipulieren zu können und davon profitierte. Dass sie über Frauen schrieb: Geschenkt, denn sie tat es nicht für die Revolution.
Ich habe aber auch viel über kreative Arbeit gelernt, bei Zeichenklassen, die ich begleitete und den Malern und Bildhauern, mit denen ich zusammen gearbeitet habe. Ich weiß, dass Vorsatz und Ergebnis bei der kreativen Arbeit oft weit auseinanderliegen. Zielvorgaben sind bloß Anstöße. Am Ende werden sie nebensächlich, denn wahrhaftig sagen kannst du nur das, was dich umtreibt. Alles andere fällt ab. Daher ist es sehr wohl möglich, sich den Feminismus auf die Fahnen zu schreiben, tatsächlich aber Bücher übers Fremdgehen, über Mobbing, über Liebe oder Gewalt, die eigene hinreißende Schönheit oder Verzweiflung zu schreiben – irgendwas davon mache ich bestimmt, und das hat alles seine Berechtigung. Denn umgekehrt ist es ja auch geschehen: Da war eben diese reaktionäre Bürgerliche Christie, die mit Politik nichts am Hut hatte und an der bestehenden Ordnung niemals rütteln wollte. Aber: Sie war auch die Einzige weit und breit, die wirklich über Frauen geschrieben hat. Weil es sie im Innersten umgetrieben hat. Weil es eben doch ihr wichtigstes Thema war: Sie war eine von uns.
Ich schreibe feministisch auch wegen Agatha Christie. Überhaupt faszinieren mich die ungeraden Wege. Leute, die das eine sagen und das andere tun, beides aus voller Überzeugung. Die Geheimnisse, die Menschen in sich tragen. Ihre Beweggründe und Motoren. Alles, was unlogisch erscheint und sich dann eben doch als folgerichtig entpuppt. Ich bin einfach neugierig. Darum schreibe ich Krimis. Und ich hoffe, andere Frauen damit zu erreichen. Darum bin ich hier.
Die Mittel heiligen den Zweck. Ist doch wurst, was Agatha wollte, wenn das, was sie geschrieben hat – äh, goto Kommentar von Kabra 🙂
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Mir haben ebenfalls die Frauenfiguren bei Agatha Christie immer gefallen. Sie tun es noch, denn ich lese die Bücher immer gerne mal wieder. Wie feministisch ihr Ansatz war … nun, es ist doch das Ergebnis das zählt. Was ich ebenfalls an Mrs. Christie schätze ist ihr Humor. Sie hatte die Gabe eine Person mit einem Satz zu charakterisieren. Wie etwa in „Mord im Pfarrhaus“:‘ … und dann war da Mrs. Hardcastle, sie war der Schrecken der Armen. ‚
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