Weil wir Frauen insgeheim Frauen verachten, manchmal nur die anderen, manchmal auch uns selbst? Oder weil wir in der männlichen Kommunikation die kleinen oder großen Gehässigkeiten auszublenden gelernt haben. Sonst müssten wir ja ständig aufschreien.
Mich hat es vor zwei Jahren schier vom Schreibtisch gekippt, als eine SWR-Moderatorin zum Frauentag am 8. März „für uns“ das Lied „Das Model“ von Kraftwerk spielte. Der singt doch auf Deutsch, den Text muss sie doch verstanden haben: Junge Frau macht Karriere als Model (Schön!). Dem jungen Mann gefällt das gar nicht. „Sie sieht gut aus, und Schönheit wird bezahlt.“ (Prima, wenn sie fürs Schönsein sogar Geld bekommt!) Ihn stört es. Er „nähme sie heut gern mit zu“ sich „nach Haus“. (Aha! Daher weht der Wind.) Doch sie wirkt kühl, „an sie kommt niemand ran.“ Der junge Mann ist beleidigt und schlägt mit Verachtung zurück: „Sie stellt sich zur Schau für ein Konsumprodukt“ (Böse! Machen Männer ja nie!) „Sie wird von Millionen Augen angeguckt“ (Ganz schlimm, dass sie nicht nur deinen Augen gehört.) So sauer ist der junge Mann, weil er sie nicht haben kann, dass er ihr sogar Sekttrinken zum Vorwurf macht.
Die Frau, die nicht dem einen Mann, der sie haben will, gehört, wird als Hure abqualifiziert und als Mensch vernichtet. Kennen wir. Aber muss ich das als Kompliment zum Frauentag hören? Noch schnell eine reingewürgt von der weiblichen Moderatorin eines überproportional von Männern gehörten Senders, damit wir Frauen wissen: Karriereweib ist bäh, anschmiegsame Frau, die mit Sängern mitgeht, ist gut.

Pappbecher mit Kinohelden
Eine Hörerin wünscht sich „Ein Haus am See“ von Peter Fox, weil er besingt, wovon auch sie träumt. Hallo? „Und am Ende der Straße steht ein Haus am See. Orangenbaumblätter liegen auf dem Weg. Ich hab 20 Kinder, meine Frau ist schön. Alle komm’n vorbei, ich brauch nie rauszugehen.“ Träumst du wirklich davon, zwanzig Kinder zu werfen und immer das Haus in Ordnung zu halten, damit ständig Besuch kommen kann? Nein, natürlich nicht. Die Hörerin versetzt ihr Ich mal kurz in einen Mann, weil sie das Idyll nicht ohne Frau und Kinder haben kann. Ein schönes Beispiel dafür, wie sehr wir Frauen dazu neigen, die positiven Rollen im Leben mit dem Mannsein zu verbinden und uns mit männlichen Protagonisten zu identifizieren. Vermutlich, weil wir auf der Frauenseite für unser Träume nichts anderes angeboten bekommen. Wir denken, wir seien Männer und leiden mit ihnen, wenn sie die Frau nicht kriegen oder verlieren, die sie haben wollen. Dabei fällt uns offensichtlich gar nicht mehr auf, dass wir miteinstimmen in die Misogynie männlicher Kultur.

ohne Kinoheldinnen
Das letzte Interview kurz vor seinem Tod hat Roger Cicero dem SWR gegeben. Die Moderatorin kündigte schließlich ein Lied an, „das wir Frauen alle ja so sehr lieben“, und spielte „Frauen regier’n die Welt.“
Ja Heilsandsack! Wieso denn? Hör doch mal zu, was der singt: Ein Mann heftet sich eine politische Ansicht an den Parka, um an eine junge Frau ranzukommen, die „alle Register“ zieht, „von kokett bis naiv“ und mit „laszivem Blick“ „die Politik“ beeinflusst. Schon als Baby hätten Frauen die Väter im Griff, hätten Beckham gepusht und Clinton gestürzt, und kaum schauten sie den Mann an, mache der Geld locker und kaufe Nerz und Ring. Kein Boss, kein Actionheld, kein Staat, kein Mafiageld, behauptet das Lied, sondern „Frauen regieren die Welt.“ Und zwar mit „Schmollmund“, gespielter Naivität und laszivem Blick. Zu solch einer Behauptung kann doch nur noch ein Häkelkreis kichernd nicken. Mal ne Gegenfrage: Entspricht das wirklich euren Erfahrungen? Meine Chefs sind durch alle Etagen männlich, die Frauen, die Staaten regieren, kann ich einer Hand abzählen, in den Nachrichten sehe ich kriegerische Horden morden und Potentaten aus Machtkalkül Völker abschlachten. Da passt keine Frau dazwischen, die „Ach, lass das doch jetzt mal mit dem Krieg!“ sagt, oder „Hör mal, wir können doch nicht ganze Familien im Mittelmeer versaufen lassen.“ Aber eines ist wahr an dem Lied: Action-Helden regieren die Welt auch nicht.

Frauen sind ja auch keine Helden
„Hach, so poetisch und schön!“, seufzte eine andere Moderatorin im SWR, als“Herz über Kopf“ von Boris verklungen war. Warum solche deutschen Heuler, die immer klingen, als versuche ein Bürschchen mit hochgezogener Oberlippe und gebleckten Zähnen den Kopfton zu treffen, von Höre_rinnen überhaupt ertragen werden, ist mir ein Rätsel. Bei diesem Song entsteht der Vorwurf an die Frau, die sich dem Mann entzieht, tatsächlich vor allem durch den Ton, nicht durch den Text selbst. Von einem Mann muss man nicht erwarten, dass er sich selbst kritisiert, wenn er leidet, sondern doch dann eher die andere Partei im Konflikt. Er scheint sie noch zu lieben, kann sich nicht lösen, sieht sie als diejenige, die ihn abweist. „Ich weiß genau, was du grad denkst. Der Zug ist abgefahren, die Zeit verschenkt.“ Irgendwie ist spielt er in der Geschichte den ehrlichen Part, sie nicht, denn er singt und hat somit die Hoheit über das, was wir über die Angelegenheit erfahren. Hier sehr subtil.
Gar nicht mehr subtil: Auf dem Cannstatter Wasen (Volksfest) geht die gesamte Besinnung auf weibliche Identität und Würde baden. Eine Souvenirverkäuferin erzählt in der Stuttgarter Zeitung: „Emanzipation existiert dort nicht. Horden von Frauen grölen Lieder mit, in denen sie auf übelste Weise zu Sexualobjekten degradiert werden, etwa den schrecklichen Mega-Wasenhit „Blasen auf dem Rasen“. Hinzu kommt, dass mich die weiblichen Gäste häufig von oben herab behandelt haben, geradezu stutenbissig.“ (Das Thema Stutenbissigkeit kommt ein andermal.) Und davon, wie sie angegrabscht wird, erzählt sie auch. Es liegt nicht an den Liedern, aber an dem, was uns als“unserer Kultur“ auch über Lieder, Märchen,Romane und Krimis eingehämmert wird, liegt es halt auch. Ein Perspektivwechsel ist dringend nötig.
Leider bekommen in Musik, Literatur und Kunst immer noch deutlich mehr Männer das Wort als Frauen. Und wir Frauen helfen ihnen auch noch zu glauben, sie hätten mit ihrer Definition der Gender-Verhältnisse Recht. Warum tun wir das? Weil wir eigentlich Frauen auch nicht mögen, weil wir uns selbst nicht mögen? Weil auch wir schnell bereit sind zu generalisieren: „Karrierefrauen sind Zicken.“ (Was sind Karrieremänner? „Junge Frauen denken nur an Konsum und Tattoos und Schönheits-OPs.“ (Woran denken junge Männer?) Oder liegt es – etwas harmloser – doch vor allem daran, dass wir uns angewöhnt haben, die Sticheleien, Verächtlichkeit und bösen Witze der Männer auszublenden und nicht auf uns selbst zu beziehen, weil wir sonst ständig aufschreien müssten? Vielleicht sollten wir das mal ändern.