„Das ist das Lewis’sche Gesetz.“ Diese Feststellung traf die Journalistin Helen Lewis 2012 in einem Tweet. Ein weiteres Gesetz lautet: „Don’t read the comments – Nicht die Kommentare lesen!“ Denn du regst dich auf, antwortest und löst weitere Hasswellen aus. Daraus ergibt sich die dritte Regel: „Don’t feed the troll – Nicht den Troll füttern!“
Besonders wüst geht in den sozialen Netzwerken zu, wenn Frauen sich äußern. Es muss gar nicht explizit feministisch sein. Frauen bekommen gehässigere Kommentare als Männer. Geht es dann auch noch um feministische Themen, dann marschieren sofort jede Menge Kommentatoren auf – mal herablassend und belehrend, mal ermahnend und abwiegelnd, oft auch spöttisch, voller Schadenfreude oder unverhohlen gehässig – und teilen aus. Unter dem Hashtag „imZugpassiert“ hat Lena Banken nicht nur vielen Frauen Raum gegeben, zu erzählen, wie sie in Zügen angemacht, angefasst und bedrängt werden, sondern auch viele sexistische Kommentare ausgelöst.Verbalangriffe in den Netzwerken zielen auf die Person und qualifizieren sie als dumm, hässlich oder frustriert ab und benutzen dafür küchenpsychologische Schnellanalysen zum Zweck der sozialen und intellektuellen Vernichtung der Schreiberin. Auch zu beobachten bei dem Twitter-Hashtack #aufschrei, den die Feministin Anne Wizorek im Januar 2013 einrichtete und unter dem Zehntausende von Frauen über alltägliche Anmache und sexuelle Übergriffe twittern. Da lesen wir, wie selbstverständlich von Männern hingehauene Abwertungen wie: „Zu mehr wird es sonst auch nicht reichen“, „.. eins von den Aufschrei-Mäuschen lebt ja gut von dem Quatsch“. „Durch alle Fächer irrlichternde Dauerstudentin“ – „Die Frau beim Sex etwas am Hals festzuhalten hat noch keine umgebracht. und wenn, dann ist sie glücklich gestorben.“ Auch auf der Facebookseite „Wer braucht Feminismus?“ purzeln ähnliche Kommentare. Sie bewegen sich in typischen Kontexten:
Habt ihr gar keinen Humor? War doch nur ein Witz. Ich habe mal in einem von Männern dominierten Seminar über Radio-Satire, wo man sich Blondinenwitze erzählte, folgenden Witz erzählt: „Wie viele Männer braucht man, um eine Klopapierrolle auszuwechseln? – Antwort: Weiß man nicht, ist noch nie vorgekommen.“ Daraufhin wurde der Seminarleiter ziemlich böse und erklärte, er wechsle durchaus auch mal die Klopapierrolle und sei im übrigen ein anständiger Ehemann. Tja, der hatte jedenfalls keinen Humor, als ein Witz auf Kosten von Männern gemacht wurde.
Seid doch nicht so weinerlich, es liegt doch an euch, was ihr erlebt und erreicht. Lamentieren ist eurer nicht würdig und ihr schadet nur eurer Sache. z.B.: „Durchsetzungswille ist eine Sache. Herumbocken, weil Frau nicht kriegt, was sie will, eine ganz andere.“ – „Sich wegen so einem blödsinn aufzuregen wirft doch erst recht ein schlechtes licht auf feministen und innen, oder so?“ Dabei wird das Erlebte banalisiert und der Ärger in den Bereich der Hysterie geschoben. Kontext: Frauen dramatisieren und machen sich deshalb unglaubwürdig.
Selber schuld. Den Frauen wird unterstellt, dass sie die Misshandlung provoziert haben, weil sie entsprechend gekleidet waren, weil sie nicht aufgepasst haben, weil sie sich nicht gewehrt haben etc. z.B. „Ich habe eine ernst gemeinte Frage an die Frauen von #imzugpassiert : Warum habt Ihr Euch nicht gewehrt? Schweigende Duldung = Zustimmung.“ Gerne übrigens auch mit dem Unterton von Spott und Schadenfreude: „Wertvoller Hinweis an alle Frauen, denen mal was #imzugpassiert ist: Mit Kopftuch wäre euch das nicht passiert!“ (Autor dieses Tweets ist übrigens ein Mann, der sich überall dort zu Wort meldet, wo in Twitter feministische Themen behandelt werden.) Kontext: Frauen müssen sich schützen. Sprich: Sie müssen die Männer davor bewahren, dass sie sich an ihnen, den Frauen, vergreifen, und sind folglich verantwortlich, wenn sie Opfer werden.
Bitte keine Ideologie, ich bin doch ein guter Mann und nett zu euch. z.B.: „Äh, reicht es da nicht, einfach ein wenig empathisch und differenziert zu sein? Wozu braucht man da gleich eine ganze Ideologie? … Ich habe Frauen schon sehr würdevoll und anständig behandelt, da gab es das Wort Feminismus noch gar nicht. Und wisst ihr woran es liegt??? Weil ich eine sehr anständige Erziehung genossen habe. Es gibt aber denn doch eine Frau, deren Sicht der Dinge werde ich nie verstehen, nicht mit und nicht ohne Femidingens, stimmt’s Frau Merkel.“Auch so ein Mann entlarvt sich selbst: Er entscheidet hier nämlich, welche Frau er wert schätzt und welche er ausnimmt. Warum sein letzter Satz Sexismus ist, merkt man, wenn man hier „Frau“ durch „Mann“ ersetzt: „Aber es gibt ja dann doch einen Mann, dessen Sicht der Dinge werde ich nie verstehen.“ Der Ideologievorwurf ist typisch für alle, die tief in einer herrschenden Ideologie verstrickt sind (hier dem Patriarchat). Für solche Leute ist Ideologie ein Schimpfwort und es sind immer nur die anderen, die ideologisch argumentieren. Feminismus ist übrigens eine Bewegung, keine Ideologie. Und sie zielt nicht auf Unterdrückung von Männern, sondern will an einem System arbeiten, in dem alle Menschen gleiche Chancen haben, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, auch diejenigen mit nicht heteronormativen Lebensentwürfen.
Frauen werden sowieso überall bevorzugt. Sie haben eigentlich die Macht. z.B.: „nenne bitte ein gesetz das frauen gegenüber männer benachteiligt. In der rechtsprechnung werden mit kürzeren Strafen Frauen bevorzugt. Sozial?“ Dazu gehören solche Glaubenssätze wie „Ein lasziver Blick/ Und schon ändert sich deine Politik / Kein Boss und kein Actionheld / Kein Staat und kein Mafiageld /Frauen regiern die Welt“ (Roger Cicero) oder „Hinter jedem erfolgreichen/ großen/ berühmten/ kriminellen Mann steht eine (starke) Frau.“ Gerade der Zitatenschatz ist ja reich an frauenfeindlichen Phrasen, die behaupten, ein Mann komme gegen eine Frau eigentlich nicht an. Sie sei die wahre Herrscherin über die Geschicke der Welt. So kokettieren Männer mit ihrer Macht, von der sie in jeder Sekunde genau wissen, dass sie sie haben.
Feminismus mach hässlich und kommt von schlechtem Sex. z.B. „99,9% der Frauen haben kaum Probleme mit Männern. Nur ein paar erfinden Stories. Vllt. die, die keinen Kerl abkriegen?“ Gehört zur Küchenpsychologie und unterstellt, dass Frauen aufhören politisch und sozial zu denken – überhaupt zu denken – sobald sie einen Mann haben. Was außer Acht lässt, dass es auch Feministen gibt. Haben die nur keine Frau abgekriegt?
Du gehörst mal anständig durchgefickt. Manche Männer fühlen sich derartig bedroht, dass sie offen drohen und zwar mit einer Vergewaltigung. Einige legen ihre Sexfantasien ab „z.B. : „Alter seid ihr ficknutten durch.“ (Grammatisch nicht ganz firm), andere kündigen sogar Besuche an. Verbalvergewaltigungen entlarven den Mann, der auf Gewalt setzt, um eine Frau zu unterwerfen. Manche stalken die Autorin auch tatsächlich, müllen sie mit Mails zu etc. Hier befinden wir uns dann bereits im justiziablen Bereich.


Mit fällt grad ne Geschichte ein, die nur am Rande dazu passt, aber Licht auf diese hirnlose Angstreaktion wirft, die viele Männer zeigen:
Ich hab mal ein ein schottisches Trinklied (Jock Steward) wörtlich übersetzt, nur aus Jock wurde Rita. „Drum seid cool und gut drauf – wenn ihr mit mir sauft – ich bin keine alltägliche Frau“. War alles sinngemäß wie im Original. Ein Sauflied, lustig. Das hab ich frisch verliebt einem lockeren, hippen, linken Typen vorgesungen, und er sprach also: Der Text sei unerträglich zickig und feministisch.
Aha.
Da hab ich was gelernt fürs Leben.
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Dieser Artikel ist besonders wichtig in Zeiten, wo ausgerechnet viele Männer behaupten, der Feminismus hätte ja schon alle seine Ziele erreicht.
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Spricht mir aus der Seele. Von „Vielleicht bist du Feministin, weil du im Mutterleib zu viel Testosteron abbekommen hast“ über „Schätzchen, du bist bitchy“ bis hin zu „Fotze!!!“ habe ich schon alles gehört. Und nicht selten werde ich gerade dann, wenn ich solche Kommentare anspreche, gefragt, wo ich denn bitte die Diskriminierung von Frauen sähe.
Liebe Grüße
Kim
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