Zoë Beck besuchte vor einigen Jahren die schottische Krimiautorin Denise Mina in Glasgow. Hier ein Auszug aus dem Gespräch:
ZB: Siehst du dich in einer bestimmten Tradition?

Denise Mina
DM: Ich bin Feministin und schreibe feministische Bücher. Ich sehe mich weniger in der Krimitradition als in der von feministischen Autorinnen. Oder willst du auf Tartan Noir hinaus?
ZB: Eher weniger. Das ist ja mehr Sammelbegriff als Tradition.
DM: Es ist ein erfundenes Label. Ian Rankin ist so wahnsinnig bekannt, und immer, wenn er im Zusammenhang mit Tartan Noir erwähnt wird, nennt man noch unsere Namen: Val McDermid, Louise Welsh, Denise Mina. Wir machen alle ganz unterschiedliche Bücher, es gibt kein Tartan Noir als Genre, aber die Bezeichnung hilft uns, bekannter zu werden. Also hab ich nichts dagegen. Diese ganzen Labels finde ich im Grunde nicht so schlecht. Wir wollen doch verkaufen, und wenn sie uns helfen zu verkaufen – warum nicht? Das Problem ist nur, wenn ich zu laut sage, dass ich feministische Krimis schreibe, stellen sie mich in der Buchhandlung in ein anderes Regal, und ich verkaufe nichts mehr. Mein Verlag fände das nicht so gut.
ZB: Also nutzt du ein erfolgreiches Genre, um sozialkritische Inhalte, wichtige Themen zu transportieren.
DM: Es ist so wichtig, politisch zu sein und das auch zu zeigen. Die meisten Krimis sind politisch, und man bekommt es nicht mit. Du wirst in eine spannende Geschichte reingezogen, du willst wissen, wie es weitergeht, du merkst gar nicht, wie manipulativ die Sache gerade ist. Einige US-amerikanische Krimireihen sind politisch extrem rechts, aber man geht darüber hinweg, weil man sich dafür interessiert, wie es weitergeht. Dass die angeblich guten Detectives Menschen- und Bürgerrechte verletzen – egal, Hauptsache sie kriegen den Bösewicht, ha! Ist das nicht gruselig, was sie uns da alles unterjubeln? Und im Fernsehen haben sie den Quotenschwarzen, der in jedem Team mit dabei ist. Er bekommt zwar am wenigsten Text, aber das merkt ja keiner. Dann ist noch ein Quotenlatino im Team, und eine Quotenfrau …
ZB: Im deutschen Fernsehen ist es seit ein paar Jahren sehr lustig, da ermitteln so viele Frauen …
DM: Echt? Aber wird denn auch gezeigt, welche Probleme sie haben?
ZB: Klar. Ein bisschen Stress mit der Kinderbetreuung wegen der langen Arbeitszeiten hier, ein bisschen Ärger mit den Männern wegen der langen Arbeitszeiten da, aber die Karriere läuft super.
DM: Klar. Sie erspüren ja auch den Täter, sobald sie ihn sehen.
ZB: Tja. Deine Frauen können das nicht.
DM: Nö. Ich wollte weibliche Ermittler zeigen, die eben nicht die ganze Zeit einfühlsam und sensibel sind. Sie haben Stress, sie haben Probleme privat wie beruflich, sie müssen hart arbeiten und um ihren Job kämpfen. Normale Frauen eben.
ZB: Die Abbildung der Realität in der Literatur?
DM: Es geht mir um Radikalität. Dahin muss die Diskussion wieder gehen. Es gibt Autoren, die meinen, Radikalität besteht darin, Anführungszeichen wegzulassen oder keine Punkte mehr zu machen. Wir brauchen die richtigen Inhalte.
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